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News 29. März 2021

Rettet der Roboter die Streuobstwiese?

Wie Pflege und Erhalt von Obstbäumen automatisiert werden könnten. Ein Bericht von Prof. Dr. David Reiser und Jonas Straub - Universität Hohenheim.

Rettet der Roboter die Streuobstwiese?

Streuobstwiesen prägen das Landschaftsbild in vielen Regionen Deutschlands. Zusätzlich sind sie auch wertvolle Lebensräume und gehören zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa. Sie dienen gleichzeitig dem Arten-, Boden- und Wasserschutz, wirken als Klimaausgleich und als Genreservoir für rund 3.000 Obstsorten allein in Deutschland. Zusätzlich hat Streuobst durchaus auch eine wirtschaftliche Bedeutung: Für den wichtigsten Produktionszweig, die Apfelsaftproduktion, liefern die Streuobstbestände in Deutschland je nach Erntejahr zwischen 500.000 und etwas über einer Million Tonnen Äpfel. Trotzdem nehmen seit Jahrzehnten die Streuobstbestände immer weiter ab. Gründe sind die zu hohen Produktionskosten, der hohe Arbeitsaufwand und das fehlende Fachwissen für die Pflege. Ein Großteil der Streuobstbestände befindet sich in Privatbesitz und wird im Nebenerwerb bewirtschaftet. Aktuell werden z. B. in Baden-Württemberg über 80 % der Streuobstbäume gar nicht oder nur unregelmäßig geschnitten1, was jedoch für den Erhalt der Bäume sehr wichtig wäre.

Automatisierung ist eine Möglichkeit Streuobstwiesen in ihrer jetzigen Form zu erhalten. Dabei könnte die automatisierte Streuobstwiese ein klassisches Beispiel für erfolgreich angewendete Bioökonomie sein. Es kann eine Optimierung der biodiversen Anbauform mithilfe von Robotik erfolgen, so dass ein wirtschaftlich profitabler Betrieb wieder möglich wird. Für die Pflege der Streuobstbestände sind über das Jahr viele Arbeitsschritte notwendig.

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Die Wiesen müssen gemäht, die Bäume geschnitten und das entstandene Schnittgut abgefahren werden. Zusätzlich ist der Schutz gegen Schädlinge, Pilz- und Bakterienbefall wichtig. Das Obst muss geerntet, das Fallobst eingesammelt und zur Weiterverarbeitung aus dem Feld transportiert werden. Jedoch ist der wichtigste Faktor um ein gesundes Altern der Bäume zu gewährleisten (bei gleichzeitig hohem Ertrag) der fachgerechte Baumschnitt. Dies ist jedoch besonders in einer Streuobstwiese eine hoch komplexe Aufgabe. Selbst unter Experten gibt es oft unterschiedliche Ansichten, wie ein korrekter Baumschnitt umzusetzen ist.

Es gibt bereits umfangreiche Forschung zur Erkennung von Bäumen und Vegetation aus satelliten- oder luftgestützten Daten2. Diese Informationen werden häufig für die Bestimmung von Waldbeständen, sowie für die Früherkennung von Krankheiten benutzt. Auch im modernen Obstbau sind bereits verschiedene Dienste vorhanden, die eine Früherkennung von Krankheiten ermöglichen sollen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, die Wuchshöhe und die Blattfläche mit Sensoren zu bestimmen3. Genutzt wurden solche Informationen jedoch bisher vor allem mit dem Ziel, der Ertragsoptimierung im Plantagenanbau. In der Forschung gibt es bereits erste Prototypen für den Schnitt von Weinreben4 und Obstbauplantagen5. Jedoch ist auch hier der Einsatz bisher nur in reihenbasierten Strukturen umgesetzt, wodurch die Rekonstruktion als 3D-Modell erleichtert wird. Zusätzlich befinden sich die Schnittpunkte in Bodennähe, was die Bearbeitung vereinfacht. Ein selektiver automatisierter Baumschnitt eines einzelnstehenden Obstbaumes wurde bisher noch nicht umgesetzt. Um solche Maschinen passend für Streuobstwiesen einsetzen zu können, ist noch weitere innovative Entwicklungsarbeit erforderlich.

Jedoch ist diese Arbeit eine Investition in die Zukunft unserer Kulturlandschaft, die Erhaltung lokaler Produktion und die Biodiversität. In einem Pilotprojekt, finanziert von der Baden-Württemberg Stiftung, forscht die Universität Hohenheim genau an dieser Fragestellung wie der autonome Baumschnitt für Streuobstwiesen realisiert werden könnte. Dazu wurde an eine fahrende Roboterplattform ein Knickarmroboter angebaut, welcher Sensoren präzise positionieren und ein Werkzeug für den Baumschnitt bedienen kann. Das Erfassen der Baumstruktur erfolgt als 3D-Punktewolke mit Laserscannern und Kamera. Mittels intelligenter Software soll anschließend der autonome Schnitt von Obstbäumen realisiert werden.

Bisher ist der komplett autonom arbeitende Schnittroboter nur eine Vision. Aber vielleicht ist es eine Vision, die in naher Zukunft Wirklichkeit wird. Auf dem Weg dorthin könnte bereits die Automatisierung von Teilschritten eine Erleichterung der Pflege bedeuten. Es ist auch denkbar, dass einzelne Aufgaben an hoch spezialisierte Lohnunternehmer übertragen werden, welche die Arbeit mithilfe von (teil-)automatisierten Maschinen optimieren und beschleunigen. Teilschritte sind z. B. die Analyse, der Schnitt oder das Entfernen des Schnittguts. Ebenso könnte die Software basierte Analyse der Bäume helfen, das Wissen über die Pflege von Streuobstbeständen zu erhalten und weiterzugeben. Jeder Teilschritt ist bereits ein wichtiger Erfolg in die Zukunft einer bioökonomisch optimierten Landwirtschaft.


Fußnoten:

  1. MLR. Streuobstkonzeption Baden-Württemberg. (2015).
  2. Mai, C., Zheng, L. & Li, M. Rapid 3D reconstruction of fruit tree based on point cloud registration. Transactions of the Chinese Society of Agricultural Engineering 31, 137–144 (2015).
  3. Sanz, R., Rosell, J. R., Llorens, J., Gil, E. & Planas, S. Relationship between tree row LIDAR-volume and leaf area density for fruit orchards and vineyards obtained with a LIDAR 3D Dynamic Measurement System. Agricultural and Forest Meteorology 171–172, 153–162 (2013).
  4. Botterill, T. et al. A Robot System for Pruning Grape Vines. Journal of Field Robotics 34, 1100–1122 (2017).
  5. Long He, J. S. Sensing and Automation in Pruning of Tree Fruit Crops: A Review. Agronomy 8, (2018).

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